(hjv) Seit Jahren fahren die Walldorfer Bouler in wechselnder Besetzung einmal im Jahr in unsere niederländische Partnerstadt Wageningen, um dort gemeinsam mit Boulefreunden ein Wochenende zu verbringen. Im Gegenzug nimmt regelmäßig eine Abordnung des Wageninger Boulevereins SSS (Succes Sans Soif = Erfolg ohne Durst) mit guten Erfolgen an der von der Bouleabteilung der SKG Walldorf auf dem Walldorfer Rathausplatz ausgerichteten Stadtmeisterschaft am ersten Sonntag im September teil.
Nachdem ein passender Termin vom 9. bis 11. Juni gefunden worden war, wurden mögliche Teilnehmer abgefragt. Es meldeten sich sieben Personen, darunter auch der stellvertretende Abteilungsleiter Hans-Jürgen Vorndran, der die Organisation der Fahrt übernahm. Dies bot sich an. Denn er war seit Mitte der 1980 er Jahre regelmäßig in der Partnerstadt in den unterschiedlichsten Funktionen. Wir wollten wieder im sehr zentral in einem Park gelegenen Hotel „Hof van Wageningen“ übernachten. Von dort sind es nur ein paar Schritte zur Fußgängerzone und dem Marktplatz mit der „Großen Kirche“ und den umliegenden Kneipen. Doch das Hotel war fast ausgebucht; neben den vielen Studenten der Landwirtschaftlichen Universität aus Asien und Afrika waren dort jetzt auch polnische Arbeiter untergebracht. Doch mit der Unterstützung von Corrie van Rumund, die sich in der „Platform Mörfelden-Walldorf“ engagiert, gelang es, Zim-mer zu bekommen.
In einem Vorbereitungsgespräch waren sich die Teilnehmer schnell über den Programmablauf einig. So versammelten sich am Freitag pünktlich um 10.00 Uhr vor der SKG: Karin und Karl Hauser, Otto Milsch, Rudi Matzer, Heiner Matscheck, Angelika Güth und Hans-Jürgen Vorndran zur gemeinsamen Abfahrt mit Privat-PKWs und zwar linksrheinisch über Venlo, um dem regelmäßigen Kölner-Stau zu umgehen. Die Strecke ist mit ca. 360 Kilometer geringfügig länger, aber angenehm durch die Eifel zu fahren. Wenn-gleich uns dieses mal heftige Regenschauer begleiteten. Ankunft im Hotel war gegen 14.30 Uhr und um 16.00 Uhr das Treffen mit den Wageninger Boulefreunden auf ihrer Anlage anberaumt. Dort wartete schon der Vorsitzende Gertjan van Leeuwen mit sei-nen Kollegen auf uns. Im Rahmen der herzlichen Begrüßung übergaben wir unser Gastgeschenk – Bier aus Deutschland. Dann wurden die Boulebahnen ausprobiert und gemeinsam einige Spiele absolviert. Gegen 18.30 Uhr ging es zurück ins Hotel und von dort fußläufig zum Marktplatz. Wir kehrten beim „Schwarzen Kater“ zu einem Imbiss ein. Gemütlich im Freien unter einem großen Baum sitzend, betrachteten wir die vorbei flanierenden, meist jungen Menschen und ließen den Tag bei einem Bierchen ausklingen.
Am Samstag machten wir uns nach dem reichhaltigen Frühstück im Hotel zur Stadterkundung auf. Dabei war es mir wichtig, den Teilnehmern Wageningen nicht nur als international geprägte Universitätsstadt vorzustellen, sondern auch seine historische Rolle für die Niederlande als „Stadt der Befreiung“ zu vermitteln. Im Mai 1940 erlitt die Stadt schwere Verwüstungen bei der Schlacht um den „Grebbeberg“ zwischen Rhenen und Wageningen. Aber auch der Rückzug der deutschen Truppen 1945 war nicht min-der heftig. So gingen wir zunächst zum wieder aufgebauten Hotel „De Wereld“, wo am 5. Mai 1945 mit der Unterzeichnung der Kapitulation durch den deutschen General Johannes Balskowitz und den kanadischen General Charles Foulkes für die Alliierten der Zweite Weltkrieg und damit die deutsche Besatzung in den Niederladen beendet wur-de. Eine Tafel erinnert daran, dass Prinz Bernhard der Niederlande die Urkunde mit unterzeichnet hat. An diesem nationalen Gedenktag wird jährlich mit einer Parade der Befreiung gedacht. Inzwischen nehmen an dieser Veranstaltung regelmäßig Delegationen aus Mörfelden-Walldorf teil. Das war anfangs noch nicht selbstverständlich als sich die beiden Stadtgemeinschaften 1983 über eine Friedenspartnerschaft annäherten und wir uns gemeinsam mit der Geschichte auseinandersetzten. Dieser Prozess mündete 1992 in eine breit getragene Städtepartnerschaft, an dem auch die Boule-Abteilung der SKG Walldorf ihren Anteil hat.
Vom 5. Mai-Platz folgten wir dem General-Foulkes-Weg ein kurzes Stück, um dann nach rechts eine Treppe hinunter zu gehen. Hier liegt, etwas versteckt und ansonsten kaum zu bemerken, der Jüdische Friedhof. Auf ihm haben schon lange keine Beerdigungen mehr stattgefunden. Denn auch aus Wageningen wurden die noch verbliebenen 71 Juden in das Durchgangslager Westerbork verschleppt und von dort in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau oder Sobibór gebracht. Daran erinnert das berührende Denkmal „Das Lebenstor“ am Ort der ebenfalls nicht mehr vorhandenen Synagoge.
Danach schauten wir uns das neue Baugebiet mit den schönen, klinkerverkleideten mehrstöckigen Häusern vor dem Damm an, die aufgrund ihrer Lage und Ausstattung dem gehobenen Wohnbedarf dienen dürften. Wir setzten unseren Spaziergang auf dem Damm in Richtung Industriehafen fort. Der befestigte Damm wird nicht nur von Fußgängern, sondern auch von Fahrradfahrern stark genutzt. Von dort hatten wir eine gute Sicht auf den südlich liegenden „Wageninger Berg“ mit seinem Botanischen Garten. Den unweit vom Damm fließenden Waal konnten wir nur erahnen, denn die naturnahe Polderlandschaft gab den Blick nicht auf den südlichen der beiden Mündungs-flüsse des Rheins frei. Nach einigen hundert Metern verließen wir den Damm und waren alsbald wieder am Marktplatz angelangt. Dort herrschte inzwischen reges Treiben. Viele Stände mit einem reichhaltigen Angebot von landwirtschaftlichen Produkten, Blumen, Käse, Fleisch und Fisch waren rund um die Kirche aufgebaut. Rudi und Heiner ließen es sich nicht nehmen, den frischen Matjes mit Zwiebeln aus der Hand zu kosten. Köstlich, meinten beide gegenüber den Skeptikern. Die Große Kirche hatte am Markttag zwar geöffnet, aber leider nur für ihre Toiletten, nicht aber den Gebetsraum. So konnten wir uns das Befreiungsfenster nicht von innen ansehen. Dafür schlenderten wir über Hoog-Straat, machten unsere Einkäufe und ließen uns vor der Stadtbibliothek in einem Cafe nieder, um die vielfältigen Eindrücke Revue passieren zu lassen. Besonders beeindruckt waren die Teilnehmer von der Architektur der vielen schönen Häuser und dem sehr persönlichen Stil, besonders der Niederländerinnen.
Bereits um 12.00 Uhr wurden wir auf der Boule-Anlage mit einer Spargelsuppe mit gekochten Eiern und Schinkenwürfeln erwartet. Sehr lecker hatte Marja gekocht! So gestärkt gingen die drei Teams aus Walldorf an den Start: Die amtierenden Stadtmeister Karin und Karl Hauser, die Altmeister Rudi Matzer und Otto Milsch und das neu gebildete Team Angelika Güth und Heiner Matscheck. Insgesamt nahmen acht Mannschaften (Doublette) an dem Turnier teil. Wegen einer Schulterverletzung blieb ich spielfrei als Beobachter im Hintergrund und hatte Zeit für ein ausführliches Gespräch mit der örtlichen Galeristin Marlou Kursten. Gemeinsam hatten wir über viele Jahre regelmäßig Kunstausstellungen in beiden Partnerstädten organisiert, bis dies leider aus Geldmangel der Kommunen eingestellt wurde. So tauschten wir uns über gemeinsame Bekannte und Freunde sowie die Aktivitäten im Jubiläumsjahr der Städtepartnerschaft (25) aus.
Nach vielen spannenden Spielen auf den jeweils sehr unterschiedlichen Boulebahnen – worüber gelegentlich geklagt wurde, was aber andererseits den besonderen Reiz aus-machte – endete das Turnier nach gut viereinhalb Stunden. Unsere drei Teams schwächelten an diesem Nachmittag leider etwas, denn die Konzentration ließ aufgrund der sommerlichen Temperaturen und der Dauer des Turniers nach. Zudem soll nicht verschwiegen werden, dass das Durchschnittsalter unserer Mannschaften bei etwa 75 Jahren lag. Sei es drum. Das Boulespielen hat allen dennoch viel Spaß bereitet. Karin und Karl erreichten den dritten Platz, während Otto & Rudi auf Platz 5 und Angelika & Heiner auf Platz 7 landeten.
Bereits im Vorfeld hatten wir unsere Gastgeber zum Abschluss des Turniers zu einem gemeinsamen Abendessen – einer indonesischen Reistafel – eingeladen. Für die Getränke sorgten die Niederländer. Das Essen fand dieses Mal jedoch nicht im Vereinsheim, sondern im Innenhof der neuen Wohnung von Gertjan van Leeuwen in der Nähe des Hotels statt. Zudem bereicherten erstmals die Ehefrauen die Runde der Boulespieler. Von dieser persönlichen Geste waren wir angetan. An diesem Sommerabend spielte auch das Wetter mit und so wurde es ein schöner, geselliger Abend im Freundeskreis.
Zu den Besuchen der Walldorfer Bouler in Wageningen gehört es, am Sonntagvormittag noch etwas in der Umgebung zu unternehmen, um mehr von dem Land und seinen Menschen kennen zu lernen. Auf Vorschlag von Gertjan und Guido, die uns wieder begleiteten, hatten wir uns für eine Fahrt in das nahe gelegene Nijmegen entschieden. Die ehemalige Hansestadt mit einer katholischen Universität hat heute rund 170 Tausend Einwohner. Über eine mächtige Bogenbrücke überqueren wir den Waal. Kurz danach bogen wir nach rechts ins Parkhaus ein.
Von dort ging es fußläufig auf eine Anhöhe zu einer Burganlage, dem Valkhof, mit der in einem Park mit altem Baumbestand gelegenen romanischen St.-Nikolaus-Kapelle. Wir wurden mit einem herrlichen Ausblick auf den Fluss, die Brücken, das Poldervor-land und die Promenade belohnt. Die an der Promenade ankernden Kreuzfahrtschiffe, aber auch Segelboote, weckten unser Interesse. Dann geht es wieder bergauf ins Zentrum. Unterwegs entdeckte ich eine Tafel, die an den ehemaligen Wohnort der Mutter von Karl Marx erinnert. Wir schauten uns auf dem Marktplatz mit dem prächtigen Rathaus um. Unweit davon steht die gotische Stevenskerk, die heute der reformierten Gemeinde dient.
Jetzt hatten wir uns eine Erfrischung in einem schattigen Garten der Brauerei „De Hemel“ (Der Himmel) verdient; für die Autofahrer alkoholfrei! An diesem Sonntag traten auf den verschiedenen Plätzen Musik- und Tanzgruppen auf und zu unserer Überra-schung waren im Einkaufszentrum viele Geschäfte ab Mittag geöffnet. Fazit: Ein Besuch in Nijmegen lohnt sich! Nach einem herzlichen Abschied von unseren beiden Begleitern wurde die Rückfahrt angetreten. Gemütlich, wieder linksrheinisch bei bestem Sommerwetter!